Das Wichtigste in Kürze
Körperliche oder psychische Ursachen – Erwerbsminderungsrente bei mehreren Krankheiten
Rund 1,8 Millionen Menschen beziehen in Deutschland eine Erwerbsminderungsrente, der weitaus überwiegende Teil wegen voller Erwerbsminderung. Jedes Jahr werden etwa 350.000 neue Anträge gestellt, von denen allerdings fast die Hälfte abgelehnt werden. Die Gründe für diese hohe Zahl von Ablehnungen liegen in den strengen Voraussetzungen für die Feststellung einer verminderten Erwerbsfähigkeit (siehe Erwerbsminderungsrente Voraussetzungen) und in der Möglichkeit des Versicherungsträgers, auf einen anderen Beruf zu verweisen.
Oft sind körperliche Einschränkungen ursächlich für eine Erwerbsminderung. Psychische Ursachen wie Depressionen sind aber klar auf dem Vormarsch. Betrug ihr Anteil 1996 noch rund 20 %, so sind es heute über 40 %. Niemand darf sich in Sicherheit wiegen, weil er einen scheinbar wenig belastenden Beruf im Büro ausübt. Ein Grund für den hohen Anteil ist die zunehmende Arbeitsverdichtung. Hinzu kommt, dass bei einer psychischen Erkrankung ein Verweis auf einen anderen Beruf oft nicht möglich ist.
Gesetzliche Grundlagen: so schwer ist es, Erwerbsminderungsrente zu erhalten
Die seit 2001 gültige Rechtslage wird meist so beschrieben, dass im neuen Gesetz die Ansprüche bei Berufsunfähigkeit und Erwerbsunfähigkeit zur neuen Erwerbsminderungsrente zusammengefasst wurden. Realistisch muss man aber feststellen: Die Sozialversicherung hat sich aus der Versicherung des Berufsunfähigkeitsrisikos zurückgezogen. Wer seinen Lebensstandard in dieser Situation halten will, kann dies nur mit einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung. Lediglich Versicherte, die bis einschließlich 1. Januar 1961 geboren wurden, haben noch einen Bestandsschutz, erhalten also auch bei Berufsunfähigkeit Leistungen von der Rentenversicherung.
Auch nach 2001 änderte sich das Rentenrecht – vor allem unter dem Handlungsdruck des demografischen Wandels – in schneller Folge. Aus der schrittweisen Verschiebung der Regelaltersgrenze von 65 auf 67 Jahre ergeben sich einige wichtige Stichtage für den Bezug von Erwerbsminderungsrente und deren Auswirkungen auf die Altersrente. Zum Verständnis ist der Begriff der Zurechnungszeit wichtig. Darunter versteht man den Zeitraum zwischen dem Eintritt der Erwerbsminderung und dem Erreichen der Regelaltersgrenze für die normale Altersrente. Damit junge Erwerbsgeminderte keine zu große Versorgungslücke haben, werden sie so gestellt, als hätten sie weiterhin Beiträge zu ihrer Rentenversicherung bezahlt, und zwar in der Höhe wie vor der Erwerbsminderung. Eine Einkommensminderung in den letzten vier Jahren davor wirkt sich für Neurenten ab Juli 2014 nicht mehr aus. Zu berücksichtigen ist aber eine Reduzierung des sogenannten Zugangsfaktors um 0,003 (entspricht 0,3 % Rentenabschlag) pro Monat des vorzeitigen Rentenbeginns.
Bei einem Rentenbeginn bis zum 30. Juni 2014 endete die Zurechnungszeit bereits mit 60 Jahren.
Ab dem 1. Juli 2014 wurde sie entsprechend der Verschiebung der Regelaltersgrenze um zwei Jahre bis zum 62. Lebensjahr verlängert. Eine 2018 beschlossene stufenweise Verlängerung der Zurechnungszeit wurde durch den Regierungswechsel sehr schnell von einer weiteren Gesetzesänderung abgelöst. Damit ergibt sich insgesamt folgendes Bild:
Unterschied Erwerbsminderung vs. Berufsunfähigkeit
Erwerbsminderung:
Eine Erwerbsminderung ist gegeben, wenn Versicherte wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außerstande sind, mindestens sechs Stunden täglich zu arbeiten. Abzustellen ist hierfür nicht auf den Beruf des jeweiligen Versicherten, sondern auf den allgemeinen Arbeitsmarkt (§ 43 SGB VI).
Berufsunfähigkeit:
Im Gegensatz hierzu wird bei der Berufsunfähigkeit auf den Beruf des Versicherten abgestellt und der Vergleich zwischen seiner Erwerbsfähigkeit und der eines körperlich und geistig Gesunden mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten gezogen (§ 240 SGB VI). Er darf also nur auf eine zumutbare andere Tätigkeit verwiesen werden. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist dabei aber nicht zu berücksichtigen. Es kommt also nicht darauf an, ob es in einem zumutbaren anderen Beruf überhaupt freie Stellen gibt.
Rentenbeginn | Zurechnungszeit |
---|---|
bis 30. Juni 2014 | bis zum 60. Lebensjahr |
ab 1. Juli 2014 | bis zum 62. Lebensjahr |
2018 | bis zum 62. Lebensjahr plus drei Monate |
2019 | bis zum 65. Lebensjahr plus acht Monate |
2020 bis 2027 | Steigerung um einen Monat p.a. (von 65 Jahre plus neun Monate bis 66 Jahre plus vier Monate) |
2028 bis 2031 | Steigerung um jährlich zwei Monate, also von 66 Jahre plus sechs Monate bis 67 Jahre |
Auffällig ist die Ungleichbehandlung der Rentner bis 2018 und ab 2019. Ob dies vor Gericht Bestand haben wird, ist noch offen.
Neben der Veränderung der Zurechnungszeit gab es auch weitere Neuerungen im Detail, die für bestimmte Gruppen von Neurentnern durchaus bedeutsam sein können. 2018 startete die Angleichung des Rentenniveaus in den „neuen“ Bundesländern auf Westniveau. Zeitgleich wurde die Berechnung von Anrechnungszeiten für die Altersrente neu geregelt. Anrechnungszeiten sind Zeiten, in denen der Versicherte keine Beiträge entrichtet hat, die aber dennoch als rentenrechtliche Zeiten berücksichtigt werden. Zeiten der Erwerbsminderung, in denen gleichzeitig Sozialleistungen bezogen werden, gelten seit 2018 nicht mehr als Anrechnungszeit.
Die versicherungsrechtlichen Bedingungen für eine Erwerbsminderungsrente
Grundsätzlich gilt für die Erwerbsminderungsrente – wie auch für die Regelaltersrente – eine allgemeine Wartezeit von fünf Jahren (§ 50 SGB VI). Das bedeutet, dass der Antragsteller vor der Erwerbsminderung mindestens fünf Jahre in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert gewesen sein muss. Diese Zeit braucht aber nicht unmittelbar vor der Erwerbsminderung zu liegen. Wer beispielsweise fünf Jahre Arbeitnehmer und damit versicherungspflichtig war, sich später selbstständig gemacht hat und dann erwerbsunfähig wird, hat trotzdem einen Anspruch. Besonderheiten zum Versorgungsausgleich und Rentensplitting nach einer Scheidung sowie bei Einkommen aus geringfügiger Beschäftigung („Minijobs“) sind in § 52 SGB VI geregelt.
Eine weitere Voraussetzung ist, dass in diesen fünf Jahren mindestens drei Jahre lang Pflichtbeiträge bezahlt worden sind (§ 43 SGB VI). Wenn jemand unverschuldet keine Pflichtbeiträge entrichtet hat, etwa wegen Arbeitsunfähigkeit oder Schwangerschaft, bleiben diese Zeiten unberücksichtigt. Allerdings gelten sie nicht einfach als bezahlt, sondern der Betrachtungszeitraum von fünf Jahren verlängert sich dadurch in die Vergangenheit, sodass die drei Beitragsjahre doch noch zusammenkommen können.
Wer schon vor dem 1. Januar 1984 die Wartezeit von fünf Jahren erfüllt hat, kann auch ohne die Pflichtbeiträge einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente haben. Statt der Pflichtbeiträge werden sogenannte Anwartschaftserhaltungszeiten berücksichtigt. Das sind zum Beispiel freiwillige Beiträge und Zeiten der Arbeitslosigkeit. Diese müssen dann aber lückenlos von Januar 1984 bis zum Eintritt der Erwerbsminderung vorhanden sein.
Erleichterung für Berufsanfänger
Ein Berufsanfänger hat keinerlei Chance, die geforderten Versicherungs- und Beitragszeiten zu erreichen. Glücklicherweise geht er nicht völlig leer aus, auch wenn seine Rentenansprüche nur gering sind. Es gibt nämlich Ausnahmeregelungen bezüglich der Zeiten, wenn auch unter strengen Voraussetzungen.
- War der junge Mensch versicherungspflichtig und ist die Erwerbsminderung durch einen Arbeitsunfall oder eine Berufskrankheit verursacht, besteht auch ohne Wartezeit ein Anspruch auf eine Erwerbsminderungsrente.
- Bestand keine Versicherungspflicht, aber in den letzten zwei Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung gab es mindestens zwölf Monate lang Pflichtbeitragszeiten, reicht das ebenfalls. Hiermit ist insbesondere die Erwerbsminderung nach einem Freizeitunfall abgesichert.
- Die dritte Ausnahme betrifft Versicherte, die innerhalb der letzten Jahre vor der Erwerbsminderung eine Ausbildung beendet haben. Auch sie können grundsätzlich eine Erwerbsminderungsrente bekommen, wenn in den letzten zwei Jahren für mindestens ein Jahr Pflichtbeiträge gezahlt wurden.
Besonderheiten gelten zudem für Bergleute, Wehr- und Zivildienstleistende, Zeitsoldaten sowie für Häftlinge. Einzelheiten kann man im § 53 SGV VI nachlesen.
Volle oder teilweise Erwerbsminderungsrente
Wie bereits erwähnt, liegt Erwerbsminderung vor, wenn ein Mensch nur noch weniger als sechs Stunden arbeiten kann – in seinem oder einem beliebigen anderen Beruf. Die Rentenversicherung prüft das anhand einer Selbsteinschätzung (Vordruck R0215) sowie der bereits vorliegenden Arztberichte. Sie holt gegebenenfalls weitere Gutachten ein. Dieser Weg kann für den Antragsteller sehr steinig werden. Wie schwer es ist, Erwerbsminderungsrente zu bekommen, zeigt die große Zahl abgelehnter Anträge. Befürwortet der Gutachter Ihren Rentenantrag nicht, brauchen Sie fachkundige Hilfe (siehe Erwerbsminderungsrente beantragen). Mitglieder eines Vereins wie VdK oder Sozialverband Deutschland e. V. (SoVD) haben für einen geringen Monatsbeitrag Zugriff auf ein Netzwerk von Experten. Eine Rechtsschutzversicherung zahlt bei juristischen Auseinandersetzungen im Sozialrecht in der Regel erst, wenn es zu einem Prozess kommt. Umfassendere Versicherungen bieten Beratungsrechtsschutz bereits für das behördliche Widerspruchsverfahren nach einem ablehnenden Bescheid.
Die Ursache für die Erwerbsminderung ist egal – Unfall bei der Arbeit oder in der Freizeit, Krankheit, Kräfteverfall oder Behinderung sind gleichermaßen versichert. Oft kommt die Erwerbsminderung durch Zusammentreffen mehrerer Krankheiten zustande.
Das seit 2001 geltende Recht unterscheidet zwischen einer vollen und einer teilweisen Erwerbsminderung. Aus der Definition, dieser Differenzierung und dem Bestandsschutz für Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren sind, ergibt sich folgende Abstufung:
Geburtsdatum | tägliche Arbeitsfähigkeit: sechs Stunden oder mehr | tägliche Arbeitsfähigkeit: weniger als sechs Stunden bis drei Stunden | tägliche Arbeitsfähigkeit: weniger als drei Stunden |
---|---|---|---|
1. Januar 1961 oder früher | halbe Erwerbsminderungsrente, wenn der bisherige Beruf nicht oder nur für weniger als sechs Stunden täglich ausgeübt werden kann | halbe Erwerbsminderungsrente | volle Erwerbsminderungsrente |
2. Januar 1961 oder später | kein Anspruch | halbe Erwerbsminderungsrente | volle Erwerbsminderungsrente |
Trotz Bestandsschutz bei älteren Versicherten prüft der Rentenversicherungsträger, ob im Rahmen einer beruflichen Rehabilitation eine Ausbildung oder Umschulung für eine andere Tätigkeit möglich ist. Entspricht die angestrebte neue Arbeit dem Leistungsvermögen, den Fähigkeiten und der sozialen Stellung, die sich aus dem bisherigen Berufsleben ergibt, ist der Verweis auf diesen Beruf zulässig – der Rentenanspruch entfällt. Ob es tatsächlich freie Stellen gibt und eine Umschulung somit erfolgversprechend ist, spielt für den Verweis keine Rolle.
Ein ähnliches Problem ergibt sich für die Versicherten ab Jahrgang 1961, die nicht mehr in Vollzeit arbeiten können. Was passiert, wenn es keine Teilzeit-Arbeitsplätze gibt? Hier sind zwei Fälle zu unterscheiden:
Wer noch mindestens sechs Stunden arbeiten kann, gilt nicht als erwerbsgemindert. Er kann keine Rente bekommen, auch dann nicht, wenn er keine Teilzeitstelle im zumutbaren Umfang findet.
Wesentlich vorteilhafter ist die Regelung für diejenigen, die als teilweise erwerbsgemindert gelten, also noch mindestens drei Stunden am Tag arbeiten können. Gibt der Arbeitsmarkt keine Stellen für Teilzeitkräfte zwischen drei und unter sechs Stunden Arbeitszeit her, wird die volle Erwerbsminderungsrente gezahlt. Es ist also nicht nötig, eine halbe Erwerbsminderungsrente mit Arbeitslosengeld zu kombinieren.
Reha vor Rente
Die Rentenversicherung finanziert aus den Beitragseinnahmen nicht nur Renten. Priorität hat stets die Wiedereingliederung in das Berufsleben, was in aller Regel auch im Interesse des Versicherten sein dürfte. Beruf ist mehr als nur Geldverdienen. Für viele Menschen bedeutet die Arbeit soziale Kontakte und Anerkennung. Deshalb – und auch, weil es in der Summe die günstigere Variante ist – leistet die Rentenversicherung nach dem Grundsatz Reha vor Rente. Es wird also geprüft, ob mit medizinischen oder beruflichen Maßnahmen ein Neustart möglich ist. Die Rentenversicherung zahlt für die Rehabilitation. Ist der Versicherte danach wieder in der Lage, selbst für seinen Lebensunterhalt zu sorgen, ist es eine Win-Win-Situation.
Erst wenn die Rehabilitation ganz oder teilweise fehlschlägt bzw. von vornherein aussichtslos erscheint, beschäftigt sich die Sozialversicherung mit der verbliebenen Arbeitskraft, entscheidet über teilweise oder volle Erwerbsminderung und leistet die entsprechende Rente.
Die Rentenversicherung kommt für eine Reha bei bestimmten Erkrankungen sogar für Kinder und Jugendliche auf, die selbst gar nicht versichert und noch weit von der Rente entfernt sind. Voraussetzung ist, dass die Eltern bzw. Pflegeeltern oder andere Verwandte, in deren Haushalt das Kind wohnt, in den letzten zwei Jahren mindestens sechs Monate Pflichtbeiträge gezahlt haben. Hier geht es aber nicht um kurzfristige, akute Erkrankungen, sondern um gesundheitliche Probleme wie Asthma, Krebs, starkes Übergewicht oder Verhaltensstörungen, die später in einer Erwerbsminderung enden könnten.
Erwerbsminderungsrente auf Zeit oder unbefristet
Die Anerkennung einer Erwerbsminderungsrente erfolgt frühestens sieben Monate nach dem auslösenden Ereignis, also der Krankheit oder dem Unfall. Das liegt daran, dass üblicherweise zunächst für sechs Wochen eine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers besteht und im Anschluss daran Krankengeld bis zu 78 Wochen lang bezogen werden kann. Nichtsdestotrotz sollte bei absehbar dauerhafter Erwerbsminderung der Antrag so früh wie möglich gestellt werden. Rente wird nämlich frühestens ab dem Monat der Antragstellung gezahlt, gegebenenfalls rückwirkend. Außerdem gibt es Situationen, in denen die Erwerbsminderungsrente bereits früher beginnt. Das ist der Fall, wenn dadurch ein Anspruch auf Arbeitslosengeld, Krankengeld oder Krankentagegeld endet. Mit einem rechtzeitigen Antrag entstehen keine Versorgungslücken. Die Deutsche Rentenversicherung hat auf ihren Internetseiten ein praktisches Antragspaket mit allen benötigten Formularen zusammengestellt.
Die Erwerbsminderungsrente ist zunächst meist eine Rente auf Zeit. In den ersten neun Jahren wird sie üblicherweise nur für längstens drei Jahre zugesagt und danach gegebenenfalls verlängert. Die konkrete Befristung ist vom individuellen Krankheitsbild abhängig. Die Anspruchsberechtigung kann auch in der Zeit des Rentenbezugs überprüft werden. Sobald keine volle oder teilweise Erwerbsminderung mehr gegeben ist, wird die Rente gestoppt. Darüber erteilt der Rentenversicherer einen Bescheid, zu dem der Rentenempfänger Stellung nehmen bzw. Widerspruch einlegen kann.
Eine befristete Rente endet zum genannten Zeitpunkt, ohne dass Sie darüber einen neuen Bescheid bekommen. Hat sich Ihr Gesundheitszustand bis zum Ende der Befristung nicht gebessert, sollten Sie spätestens vier Monate vor Ende der Befristung einen Antrag auf Weiterzahlung stellen. Erst nach in der Regel dreimal drei Jahren befristeter Erwerbsminderungsrente kommt eine unbefristete Gewährung in Betracht.
Ein dauerhafter Umzug ins Ausland kann Einfluss auf die Zahlung der Erwerbsminderungsrente haben.
- Oben wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, bei teilweiser Erwerbsminderung und verschlossenem Arbeitsmarkt trotzdem die volle Rente zu bekommen. Dies gilt aber bei Wohnsitz im Ausland nur für bestimmte Staaten, nämlich innerhalb des Europäischen Wirtschaftsraums (EU-Mitglieder, zusätzlich Island, Liechtenstein, Norwegen), in der Schweiz und einigen weiteren Ländern, mit den Sozialversicherungsabkommen bestehen. Das sind derzeit Bosnien-Herzegowina, Israel, Kosovo, Marokko, Montenegro, Serbien und Tunesien. Die Situation in Großbritannien ist aufgrund des Brexits noch nicht geregelt.
- Ergibt sich die Rentenhöhe auch aus Versicherungszeiten im Ausland, kann ein Umzug in ein Land außerhalb der EU zu einer Neuberechnung und Kürzung der Rente führen. Einzelheiten sind im Fremdrentengesetz
Die Erwerbsminderungsrente wird zwar laut Gesetz (§ 102 SGB VI) bis zum Ende des Kalendermonats gezahlt, in dem der Rentenempfänger gestorben ist. Dennoch ist sie keine Rente auf Lebenszeit. Erlebt der Berechtigte den Beginn des regulären Rentenalters, wandelt sie sich automatisch in eine Altersrente um. Das muss man nicht besonders beantragen.
Erwerbsminderung und Schwerbehinderung
Nicht jede Erwerbsminderung ist zugleich eine Schwerbehinderung. Dennoch kann es sich in einem entsprechenden Alter lohnen, eine Erwerbsminderungsrente in eine Schwerbehindertenrente umzuwandeln. Schwerbehinderte können zwei Jahre früher eine abschlagsfreie Altersrente beziehen. Prüfen Sie zunächst die Voraussetzungen für eine Schwerbehindertenrente (§ 2 SGB IX, § 37 SGB VI):
- Es muss ein Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 vorliegen.
- Die Wartezeit für langjährig Versicherte von 35 Jahren muss erfüllt sein.
Die Umwandlung der Erwerbsminderungsrente sollte aber nur nach einer ausführlichen Beratung durch den Rentenversicherungsträger erfolgen. Es gibt eine Reihe von Stichtagen und Sonderregelungen zu beachten. Deshalb ist nicht von vornherein klar, dass die Schwerbehindertenrente höher ist als die Erwerbsminderungsrente. Außerdem gibt es auch hier bei einer noch früheren Inanspruchnahme Abschläge von 0,3 % pro Monat bis maximal 10,8 % für 36 Monate.
Höhe der Erwerbsminderungsrente
Die letzten öffentlich verfügbaren Zahlen sind zwar schon einige Jahre alt, der seinerzeit ausgewiesene Durchschnittswert von 672 Euro für eine Erwerbsminderungsrente dürfte aber auch heute noch in etwa stimmen. Zwar sind darin auch die halben Renten bei teilweiser Erwerbsminderung enthalten, aber sie machen nur einen kleinen Anteil aus. Der entsprechende Betrag für Vollrentner ist deshalb mit 711 Euro nur unwesentlich höher. Der durchschnittliche Erwerbsminderungsrentner erhält damit zwar deutlich mehr als die Grundsicherung (Hartz IV), aber für ein gutes Leben mit sozialer Teilhabe reicht das Geld nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass kranke Menschen oft für erhöhte Bedürfnisse wie Medikamente und medizinische Anwendungen extra zahlen müssen.
Warum sind die Erwerbsminderungsrenten so gering, etwa im Vergleich zur Altersrente? Das liegt daran, dass sich die Rente hauptsächlich nach den bislang in der Rentenversicherung gesammelten Entgeltpunkten bemisst. Für jedes Kalenderjahr, in dem ein Versicherter Beiträge entsprechend des Durchschnittsverdienstes in die Rentenversicherung eingezahlt wurden, erhält er einen vollen Entgeltpunkt. Verdient er mehr oder weniger, gibt es anteilmäßig mehr oder weniger Entgeltpunkte. Die Rentenhöhe folgt damit aber nicht nur dem Einkommen im Verhältnis zum durchschnittlichen Verdienst aller Arbeitnehmer, sondern auch der bislang zurückgelegten Versicherungsdauer. Weil darüber hinaus auch noch die Zurechnungszeiten Berücksichtigung finden, wird auch für junge Versicherte eine gewisse Mindestversorgung sichergestellt. Die volle Erwerbsminderungsrente entspricht nach einer Faustregel einem halben Nettogehalt (die halbe Rente bei teilweiser Erwerbsminderung also einem Viertel). Versicherte mit hohem Gehalt müssen berücksichtigen, dass für die Rentenbeiträge und damit auch für die Rentenberechnung maximal das Einkommen bis zur Beitragsbemessungsgrenze zugrunde gelegt wird. Für 2020 sind das monatlich 6.900 Euro (West) bzw. 6.450 Euro (Ost).
Die Tücken der Rentenformel zeigen, dass trotz der oben erläuterten Erleichterungen vor allem für Berufsanfänger bei den Wartezeiten die dringende Notwendigkeit einer privaten Vorsorge durch eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU-Versicherung) ergibt. Generell bedeutet die soziale Absicherung des Erwerbsminderungsrisikos keinen Erhalt des gewohnten Lebensstandards. Speziell bei einer Erwerbsminderung in jungen Jahren kommt eine oft unzureichende Rentenhöhe als wichtiges Argument hinzu. Eine Leistung aus der privaten BU-Versicherung gilt nicht als Einkommen, wird also auch nicht auf die Erwerbsminderungsrente angerechnet.
Erwerbsminderungsrente in der Steuererklärung
Trotz der oft geringen Höhe kann die Erwerbsminderungsrente steuerpflichtig sein. Verschweigen darf und kann man sie dem Finanzamt nicht, denn die Rentenversicherung ist verpflichtet, dem Finanzamt eine Rentenbezugsmitteilung zu machen. Es kann sein, dass Sie deswegen eine Aufforderung zur Steuererklärung erhalten. Steuerfrei sind jährliche Einkünfte bis zum Grundfreibetrag (9.408 Euro im Jahr 2020, Erhöhung auf 9.744 Euro in 2021 und 9.984 Euro in 2022 geplant). Das heißt aber nicht, dass jede Rente über 784 Euro (9.408 Euro geteilt durch zwölf Monate) steuerpflichtig wäre. Es gibt einen sogenannten Rentenfreibetrag, der sich nach dem Jahr des Rentenbeginns richtet. Wer 2004 schon Rente bezogen hat, erhält die Hälfte der Jahresbruttorente des Jahres 2005 als Freibetrag. Diese Summe bleibt für die Zukunft immer gleich, ändert sich also nicht mit Rentenanpassungen. Steigt die Rente schneller als der Grundfreibetrag, können Rentner, die heute keine Steuern zahlen, später dennoch steuerpflichtig werden.
Erwerbsminderungsrente und Sozialabgaben
Neben Steuern müssen Erwerbsminderungsrentner auch einen Beitrag zur gesetzlichen Krankenversicherung zahlen. Die Rentenversicherung gibt dazu einen Zuschuss, sodass in der Regel 7,3 % plus halbem Zusatzbeitrag der jeweiligen Kasse gezahlt werden müssen. Andere Sozialabgaben fallen nicht an. Wer vor Eintritt der Erwerbsminderung privat versichert war, muss diese Versicherung in aller Regel behalten. Nur wenn für 90 % der zweiten Hälfte des Berufslebens bis zum Rentenantrag eine Mitgliedschaft in der gesetzlichen Versicherung bestand, ist eine Rückkehr dorthin möglich.
Erwerbsminderungsrente und Nebenjob – geht das?
Die oben genannten Zahlen zur Höhe der Erwerbsminderungsrente sind Durchschnittswerte. Viele Rentner bekommen also deutlich weniger. Reicht die Rente nicht, sollten Sie zusätzlich Grundsicherung (Hartz IV bzw. Arbeitslosengeld II) beantragen. Selbst wenn die Rente den Hartz-IV-Satz erreicht, sind zusätzliche Leistungen für Miete plus Nebenkosten (einschließlich Heizung) möglich. Das Bundessozialgericht hat 2018 entschieden, dass Bezieher einer Erwerbsminderungsrente auch dann Anspruch auf Hartz IV haben können, wenn sie mit einem Arbeitslosen in einem Haushalt leben und somit eine Bedarfsgemeinschaft bilden (Urteil vom 28. November 2018, Aktenzeichen B 4 AS 46/17 R).
Reicht die Erwerbsminderungsrente trotz Sozialleistungen nicht, wird mancher Rentner über einen zusätzlichen Verdienst nachdenken. Aber passen Erwerbsminderung bzw. Erwerbsunfähigkeit und Arbeitseinkommen überhaupt zusammen? Dazu müssen wir noch einmal auf die Definitionen zurückblicken: Teilrente gibt es, wenn ein tägliches Arbeitspensum von sechs Stunden nicht mehr möglich ist, die volle Rente bei einer Arbeitsfähigkeit von weniger als drei Stunden. Damit bleibt ein Spielraum für einen (Neben-)Job von unter sechs Stunden für Teilrentner und unter drei Stunden bei voller Rente.
Elterngeld kann man auch bei Bezug einer Erwerbsminderungsrente bekommen. Allerdings zählt die Rente nicht zum Erwerbseinkommen und wird deshalb bei der Berechnung des Elterngeldes auch nicht berücksichtigt. Deshalb wird es in der Regel nur den Sockelbetrag von 300 Euro geben. Umgekehrt wird das Elterngeld aber auch nicht auf die Rente angerechnet, führt also nicht zu einer Kürzung.
Hinzuverdienst bei voller Erwerbsminderung
Dem Gesetzgeber ist klar, dass die Erwerbsminderungsrente in vielen Fällen nicht zum Leben reicht. Deshalb erlaubt er bei voller Erwerbsminderung ausdrücklich (§ 96a SGB VI) ein zusätzliches Einkommen von 6.300 Euro im Jahr, ohne dass es deswegen zu Rentenkürzungen käme. Das tatsächlich erzielte Einkommen wird jeweils zum 1. Juli für das vorangegangene Jahr festgestellt und für das laufende Jahr geschätzt. Ist das Einkommen höher, werden 40 % des übersteigenden Betrags von der Rente abgezogen.
Beispiel: Ein Versicherter bezieht 1.000 Euro monatliche Rente wegen voller Erwerbsminderung. Zusätzlich verdient er 9.000 Euro im Jahr. Das sind im Jahr 2.700 Euro mehr als der Freibetrag, im Monat also 225 Euro. Davon werden 40 % auf die Rente angerechnet, also 90 Euro. Ausgezahlt werden 910 Euro abzüglich Krankenversicherung.
In einem zweiten Schritt wird überprüft, ob die Summe aus Rente und Arbeitseinkommen den sogenannten Hinzuverdienstdeckel nicht überschreitet. Er orientiert sich im Wesentlichen am höchsten Einkommen der letzten 15 Jahre vor der Erwerbsminderung und entspricht mindestens der vollen Rente plus 525 Euro im Monat.
Hinzuverdienst bei teilweiser Erwerbsminderung
Hier wird eine individuelle Berechnung angestellt (siehe Erwerbsminderungsrente berechnen), die wie beim Hinzuverdienstdeckel auf dem Einkommen der letzten 15 Jahre basiert. Im Zweifel hilft ein Rentenberater, die persönliche Grenze zu ermitteln. Für denjenigen, der kein Einkommen oder nur einen Minijob hatte, gilt eine Mindesthinzuverdienstgrenze von 15.479,10 Euro jährlich (Stand 2020). Übersteigende Beträge werden wie oben zu 40 % berücksichtigt. Diese 40 % gelten zwar stufenlos ab dem ersten Euro, dennoch bleibt auf jeden Fall in der Summe aus Rente und Einkommen mehr übrig als ohne den Job.
Neben diesen Grundregeln gibt es noch einige Besonderheiten, zum Beispiel bei Erwerbsminderungsrenten, die schon vor dem 1. Juli 2017 gezahlt wurden, sowie für das Zusammentreffen einer Erwerbsminderungsrente mit einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Pflegegeld, das Sie für die Pflege von Angehörigen erhalten, wird nicht als Nebeneinkommen angerechnet, und auch Einkünfte aus Behindertenwerkstätten oder Integrationsprojekten dürfen Sie ungekürzt behalten.
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